Gemeindebrief Juni 2014

Pastorin Bettina Rutz
Liebe Leserinnen und Leser,
Streit unter Brüdern, das kommt in den besten Familien vor. Es geht wie so oft um das Erbe des Vaters. Als ob sich am Geld noch mal zeigt, wem die Liebe immer schon galt. Jakob will alles für sich. Und hinterlistig gelingt es ihm, ans Erbe zu kommen. Er verkleidet sich als sein eigener Bruder, der Erstgeborene, und der fast blinde Vater lässt sich täuschen und verspricht ihm alles. Nun ist Jakob auf der Flucht, auf der Flucht vor seinem wütenden Bruder, vielleicht auch auf der Flucht vor seiner eigenen Schuld. Unruhig und getrieben zieht er umher. Bis die Müdigkeit ihn überfällt und er sich erschöpft auf den nackten Boden legt, um etwas Ruhe und Schlaf zu finden. Als Kopfkissen dient ihm ein Stein. „Und ihm träumte, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.“ Und am Ende der Leiter im Himmel zeigt sich Gott und spricht Segensworte. Dem Schlingel Jakob wird im Traum eine große Zukunft versprochen. Jakob kann kaum fassen, dass ihm an dieser Stätte mitten in der Dunkelheit so viel Gutes geschieht. Jakobs Traum von der Himmelsleiter ist eine bezaubernde Geschichte aus dem 1. Buch Mose. Man kann sich bildlich vorstellen, wie die Engel auf und nieder gleiten und die Leiter Himmel und Erde verbindet. „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus!“, entfährt es Jakob und früh am Morgen nimmt er den Stein, der ihm als Kopfkissen diente und setzt damit einen Grundstein für ein Gotteshaus und er nennt die Stätte Bethel (Haus Gottes).

Ganz so eine wundersame Entstehungsgeschichte hat unsere Broder-Hinrick-Kirche, deren 60-jähriges Jubiläum wir am Pfi ngstmontag in einem festlichen Gottesdienst auf der Wiese unter dem hoffentlich trockenen Himmelsdach feiern wollen, leider nicht zu bieten. Dennoch ist sie ein besonderer Ort. Am Anfang war hier die Fritz-Schumacher-Siedlung und ansonsten drum herum viel Grün und Acker. Einige wenige Höfe gab es noch, und die Kohlenhandlung nicht zu vergessen. Mitten in der Siedlung: ein schönes sattes grünes freies Stück Land. Hier brachte man gerne die Tiere zum Weiden hin, die Kinder fanden hier einen Spielund Bolzplatz. Ein Ort der Erholung und der Spielfreude. Die nächste Kirche war weit entfernt: St. Lukas in Fuhlsbüttel. Manch einem war das zu weit weg. So setzte sich eine kleine Gruppe von Menschen schließlich dafür ein, dass die Siedler auch eine Kirche bekommen sollten. Ein kühnes Unterfangen im sozialistisch geprägten Arbeitermilieu. Viele waren es nicht, aber dennoch genug, um einen Antrag zu stellen – und er wurde angenommen. In der Zwischenzeit wurden im Immenhöven und später im heutigen Ole Börner Gottesdienste gefeiert. Die Kriegsjahre verzögerten den Bau. Schließlich 1953 wurde der Grundstein gelegt und 1954 wurde die Kirche mitsamt Miniaturanbau fertiggestellt auf dem freien grünen Flecken Erde in der Siedlung. Den Weidetieren und anfangs auch den Kindern wird es wohl weniger gefallen haben. Überhaupt war es zu Beginn wohl gar nicht so einfach, sich an den neuen Anblick und die neuen Klänge der Glocken zu gewöhnen. Aber mit der Zeit begann man sich vorsichtig aneinander zu erfreuen, und die Kinder und Jugendlichen kamen auch wieder zu ihrem alten Platz. Die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit begann zu blühen. Und schließlich musste sogar angebaut werden, weil die Gemeinde nicht nur Gottesdienst feiern, sondern sich auch in vielen Gruppen unter der Woche treffen wollte. Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, die großen schönen Momente des Lebens, aber auch für die schwere Zeit, für den Abschied ist die Kirche da und schenkt Segen, gibt Hoffnung für das Leben, auch wenn mal alles dunkel erscheint. Broder Hinrick, kein heiliger Boden, aber ein besonderer Ort auf gutem sattem Grund. Wer die Kirche noch nie von innen gesehen hat, ist herzlich eingeladen. Sie sieht aus wie eine große Schatztruhe: ein Segensraum für Gebet, Stille, Gesang, Dank, Lob und Klage. Sie alle sind ganz herzlich eingeladen, mit uns am Pfingstmontag unsere Kirche zu feiern, seit 60 Jahren Broder Hinrick „mittenmang un bi de Börner“ und mittlerweile auch darüber hinaus.

Herzliche Grüße in alle Häuser,
Ihre und Eure Pastorin Bettina Rutz

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